Thementag: Zwischen Überholspur und Bremse – Leben und arbeiten mit chronischen Erkrankungen
Kunst auf Rezept, Pillen und Pigmente
Am Mittwoch, 9. April 2025 fand in der Osthalle der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) erstmalig ein Thementag in Kombination mit einer Kunstausstellung zu chronischen Erkrankungen statt. Neben zahlreichen Fachvorträgen, einem Markt der Möglichkeiten, Austauschmöglichkeiten an Thementischen fand auch eine geführte Vernissage zu den Werken von Larissa Scheckenbach mit dem Titel „Pillen und Pigmente“ statt.
„Chronische Erkrankungen betreffen Millionen Menschen und stellen Betroffene sowie Angehörige täglich vor neue Herausforderungen. Der Thementag bot fundierte Informationen von medizinischen Expertinnen und Experten, fördert den Austausch und hilft, ein besseres Verständnis für neue Therapieansätze und den Umgang mit der Erkrankung zu entwickeln“, sagte Prof. Dr. Lorenz Trümper, Vorstand Krankenversorgung der Universitätsmedizin Göttingen UMG.
Miriam Engel begann ihren Vortrag mit „Hier bin ich und hier stehe ich,“ niemand sieht einem Menschen an, welche Last dieser trägt und ob sich eine chronische Krankheit versteckt. Als Selbstständige und Alleinerziehende mit einer chronischen Erkrankung hat sie Ihren Weg eindrucksvoll präsentiert. Der darauffolgende Vortrag von Prof. Dr. Frank Petzke, Schmerzmedizin der Universitätsmedizin Göttingen UMG griff die psychologischen Faktoren in Hinblick auf chronische Schmerzen auf. Chronische Schmerzen sind Teil vieler chronischer Erkrankungen und stellen eine Belastung dar, deren Bewältigung viel Energie benötigt. Zudem sehen sich viele Betroffene therapeutischen Maßnahmen ausgesetzt, die sie zum Teil aversiv erleben. Dazu kommt gleichzeitig die Abhängigkeit vom medizinischen System. All dies kann zu Gefühlen der Hilflosigkeit, Wut, Scham, Depression und Angst führen. Die multimodale Schmerztherapie an der UMG setzt genau dort an: Interdisziplinär und fachlich gemeinsam getragen, um genau diese Problematik vorzubeugen.
Was hat Kunst mit Schmerzen zu tun?
Anlässlich des Thementages präsentierte die Künstlerin Larissa Scheckenbach, die selbst an MS erkrankt ist, ihre Gemälde. In ihrer Kunst beschäftigt sie sich mit chronischen Erkrankungen, der Lebensrealität von Betroffenen und dem Wunsch nach Leichtigkeit. Dabei verbindet sie poppige Street-Art-Elemente mit Hyperrealismus und klassischer Öl-Malerei. Mit Neugier untersucht und ästhetisiert sie medizinische Themen und wendet sie humorvoll und spielerisch bis ins Absurde. So verwies sie auf Studien, die Kunst auf Rezept untersucht haben, um die Gesundheit und das Wohlbefinden zu fördern. Die Forschung zeigt, dass Museumsbesuche Stress reduzieren und die Gesundheit fördern. Die Kunstausstellung „Pillen und Pigmente“ ist noch bis zum 11.Mai 2025 in der Westhalle der UMG zu besichtigen.
Geheilt aber nicht gesund
Oberarzt Dr. Nils Brökers, Klinik für Hämatologie und medizinische Onkologie an der UMG beschäftigte sich in seinem Vortrag mit Langzeitfolgen einer Krebserkrankung/-therapie. Fatigue, Angst und Depressionssymptome sind nur einige Beispiele dafür, warum ein regelmäßiges Distresscreening fester Bestandteil der Nachsorge sein sollte. „Mittlerweile sind wir weg von immer mehr, zu möglichst immer weniger,“ sagte Brökers in Hinblick auf den Einsatz von Chemotherapie. Das Ausmaß der Nebenwirkungen hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab: Den eingesetzten Wirkstoffen, der Dosierung und der Art des Behandlungsschemas. So führen nicht alle Chemotherapien zu schweren Nebenwirkungen. „Auch wir setzten bei uns auf Kunst und haben aktuell ein Kunstkurs für Krebspatienten und Angehörige bei uns laufen,“ ergänzt Brökers.
Dr. Sabine Zeddies vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Präventivmedizin der UMG befasste sich in ihrem abschließenden Vortrag mit Herausforderungen für chronisch kranke Menschen in der Arbeitswelt. Diese Menschen sind häufig Vorurteilen und Misstrauen ausgesetzt. Sie zeigte auf, welche Auswirkungen durch Einschränkungen und Anpassungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt entstehen, die aber durchaus Chancen für Arbeitgeber darstellen.
An Thementischen konnten offene Fragen, aber auch Wünsche und Anregungen aufgenommen werden. Die KIBIS Göttingen (Kontakt-, Informations- und Beratungsstelle im Selbsthilfebereich) zeigte hier zahlreiche Vernetzungsmöglichkeiten zu regionalen Selbsthilfegruppen auf. Als großes Problem wurde die eigene Erwartung gesehen „Zwischen Überholspur und Bremse“, denn gerade in dieser schnelllebigen Welt ist es schwer einmal eine Pause einzulegen aus Angst davor dem Leistungsdruck nicht gerecht zu werden. Da könnte ein Museumsbesuch vielleicht zwischendurch eine Auszeit bieten.
























